Liebe Leserinnen und Leser,
aus aktuellem Anlass folgt hier meine zweite Etüde für die Textwochen 12 und 13, ins Leben gerufen von Christiane (Blog „Irgendwas ist immer“). Die 3 Wörter wurden von Elke H. Speidel (Transworte auf Litera-Tour) gespendet.
Sehnsüchtig schaute sie auf den Forsythienstrauch im Hof, der in voller Blüte stand. Dieser Frühling war anders als die vorherigen. Wie gerne wäre sie hinausgegangen und hätte die Fülle der Natur betrachtet und dem unverdrossenen Gezwitscher der Vögel im Park gelauscht. Ausgangssperre hieß das Modewort derzeit. Anfangs hatte sie es noch lächerlich gefunden, aber jeder Tag brachte neue Meldungen über die Zahl der Toten. Nun sah sie ein, dass alle vernünftig sein mussten, um dem Grauen bald ein Ende zu bereiten.
Doch was für sie eine Entschleunigung des Lebens bedeutete, verwandelte andere zu Rastlosen. Seit Stunden versuchte im Haus jemand, die Wände mit Hilfe einer Bohrmaschine zu durchlöchern. Das Geräusch bohrte sich in ihren Kopf und ließ die Zähne schmerzen.
Sie war ein Mensch, der Harmonie und Ruhe schätzte, doch das war nun vorbei. In Gedanken sah sie den Nachbarn auf verschiedenste Arten aus dem Leben scheiden. Erst war es der Serienmörder, der sich natürlich mit einer Bohrmaschine bewaffnet hatte, später war es das Monster, vor welchem sie sich letztens in einem Horrorfilm gegruselt hatte. Hauptsache, dieses Geräusch würde endlich verschwinden.
Warum verfiel alle Welt in eine derartige Aktionswut? Konnten diese Störenfriede nicht einfach in einer Art Winterschlaf erfrieren, bis das alles ausgestanden war?
(204 Wörter)
Keine Angst, der Nachbar lebt noch … 🙂
Text: Susanne Sommerfeld